Blattläuse und Wühlmäuse – Stand Mai 2020
Der turbolente Mai ist zu Ende und wie im letzten Jahr, nur offenbar noch heftiger, breiten sich seit Wochen die Blattläuse aus. Darunter leiden vor allem junge Obstbäume, von denen ich inzwischen schon einige zurück schneiden musste. Wieder mit dabei sind zahlreiche Ameisen, welche fleißig die Blattläuse auf die Bäume tragen, um sie dort quasi als Viehherde zu schützen und zu melken, um an den für sie so wichtigen Honigtau zu gelangen. Doch auch Hummeln und Bienen sammeln dieses süße Sekret der Blattläuse, vor allem in Jahren mit heftigen Spätfrösten, wenn Blüten erfrieren.
Bis in den Juni leiden vor allem junge Obstbäume bei uns in manchen Jahren heftig unter den saugenden Blattläusen. Dann endlich kommen sie sich entsprechend vermhrenden Marienkäfer und Florfliegen ins Gesicht und die Balance stellt sich wieder ein. Leider können bis dahin ziemliche Schäden an Kulturen entstanden sein. Anders als im Vorjahr sind diesmal auch nicht die Bienen auf den Honigtau angewiesen. Der milde Winter und die bereits länger anhaltene, trockene Wärme mache ich für die ungewöhnliche Vermehrung verantwortlich.
Doch was kann man bis dahin gegen die explosionsartige Vermehrung der Blattläuse unternehmen? Und wo kommt die Wühlmaus ins Spiel?
Dieser Frage widme ich mich Jahr für Jahr, und mit den Erfahrungen wächst auch der Durchblick – nicht nur um die Wirksamheit von Mitteln gegen den Blattlausbefall, auch um die Zusammenhänge in der Natur. Dazu will ich ein Szenario vorstellen, welches mir gerade in diesem Mai noch einmal weit die Augen öffnete. Dabei spielen Blattläuse und Wühlmäuse eine Rolle.
Wühlmause und Blattläuse im neuen Obsthain
Im Juli 2019 bereitete ich kurzfristig einen bis kaum genutzten Bereich vor, wo bis dahin nur 2 junge Birnenbäume recht verloren standen. Ansonsten war bis auf 2 Zuwegungen alles ungemäht, in Ruhe gelassen. Nun sollten neue Bäume aus meiner Baumschule dort einen weiteren Obstbaumhain bilden, die Fläche also komplett erschlossen werden.
Geplant, getan. Die Fläche wurde zuerst vorsichtig auf Bodenbrüter untersucht – nix. Also Freigabe. Hügel von Maulwurf und Wühlmaus wurden eingeebnet. Hohes Gras, wilde Kräuter und Stauden wurden gemäht. Baumscheiben wurden ausgehoben und Jungbäume gesetzt. Alles in allem waren es vielleicht 200m². Bin in den Herbst entwickelten sich die Neupflanzungen bereits sehr gut. Die Fläche wurde, bis auf einige Beipflanzungen, wegen der Wühlmaus kurz gemäht gehalten. Meine Anti-Wühlmaus-Vorrichtung wollte ich auf der neuen Fläche erst einmal weg lassen, auch um zwei Vergleichsflächen zu haben.
Wie sich im Winter heraus stellte, war die Wühlmaus von meinen “nicht ordnungsgemäß” unangemeldeten Aktivitäten wenig begeistert. So kamen seit März viele neue Gänge hinzu, auch direkt zu einigen der neuen Obstbäume (Im Vergleich dazu war es im Schutzbereich meiner Anti-Fu-Stangen sehr ruhig.). Im April war ich derart genervt, dass ich kurzerhand zu Karbid griff, um kurz mal Ruhe zu haben und zu überlegen, was ich tun könne. Vergiss es. Es blieb beim täglichen Schaulaufen. Denn die Wühlmaus machte sich recht wenig aus dem Gestank – siehe Beitrag.
Ein neues Versteck für Wiesel mit gleichzeitiger Maht brachte anscheinend den Durchbruch. Wie eine unserer Kameras zeigte, sind Katzen und Wiesel munter an der Ausbalancierung des Mausbestands beteilgt. Und sicherlich helfen auch die zahlreichen Greifvogel-Sitzstangen.
Milder Winter, warmer April, Trockenheit und Wind fördern starken Blattlausbefall im Mai
Im Mai zeigte ich dann, nachdem die trockenen und viel zu warmen Tage einige der Jungbäume abklappen ließen, dass ich in diesem Jahr noch früher als 2019 wässern sollte. Dazu kam die explosionsartig vermehrte Blattlauspopulation. In den meisten Fällen waren Ameisen beteiligt. Von der Wühlmaus gestresst, kam ich anfangs kaum dazu, mal in Ruhe hinein zu fühlen, was die Ursache für das Problem war.
Und so griff ich erst zu dem üblichen Schnellmittel (Spüli-Spritze), dann zu dem bewährten homöopathischen Mittel Camphora in der Potenz C30 (gegen Ameisen und schwarze Blattläuse). Da die Grüne Blattlaus leider weniger auf Ablenkpflanzen geht, muss hier frühzeitig eingegriffen werden, am besten schon Ende April (Mittel: Cimicifuga C30).
Ein Mix aus Maßnahmen hilft, Schäden durch Wühlmäuse und Blattläuse zu reduzieren
Überall dort, wo Beipflanzungen stehen, sind die Schäden in der Regel spürbar geringer.
Wirksame Ablenkpflanzen bei Blattläusen:
Großer Sauerampfer, Brennnessel, Klattschmohn, Eselsdistel, Schwarzer Holunder, Wildpflaumen
Wirksame Ablenkpflanzen bei Wühlmäusen:
Meerettich, Beinwell, Topinambur, Großer Sauerampfer, Wildobst und alle möglichen Heckensträucher
Wildpflanzenstreifen bieten mehrfachen Nutzen
In den Streifen können Eidechsen, Kröten und viele Insekten und andere Kerbtiere Unterschlupf finden. Viele der Pflanzen blühen und sind in dieser Hinsicht ebenfalls wichtig für Bienen und viele andere Insekten. Bei Trockenheit schützt die Wildpflanzenmischung durch Schatten und langsame Abgabe von in den vielen Wurzeln gespeicherter Feuchtigkeit die Kulturen. Durch die Durchwurzelung und je nach Pflanze typische Wechselwirkung mit dem Boden, in biochemischer Hinsicht, wird eine bessere Bodengesundheit und Wasserspeicherfähigkeit erreicht. Einjährige Pflanzen dienen samt Wurzel als Grundlage für die Humusbildung.
Experiment: Wer will, kann den nicht sehr angenehm riechenden Rainfarn um die Obstbäume herum setzen. Wühlmäuse und Maulwürfe meiden laut vielfachen Probegrabungen verlässlich den Rainfain und so sollte zumindest die Hauptwurzel junger Obstbäume gut geschützt sein. Ich kam auf die Idee im Frühjahr bei Erschließungsarbeiten, fange also selbst erst damit zu experimentieren an.
Mähen oder nicht mähen – das Paradoxon der zwei Hauptschädlinge
Ameisen lieben warmen Boden, sprich: kurz gemäht und frei, der Sonne ausgesetzt. Damit steigt automatisch das Blattlausproblem schon im Frühjahr. Durchweg ungemähte Flächen bergen viele natürliche Nahrungsquellen für Blattläuse und auch weniegr starke Ameisenpopulationen. Leider sind solche Flächen wiederum allzu einladend für die Wühlmäuse, deren Aktivitäten man auch meist zu spät erkennt.
Was also tun?
Ich versuche, durch abwechselnde Bereiche beides in den Griff zu bekommen. Die Reihen links und rechts entlang der Obstbäume mähe ich regelmäßig kurz, zwischend en Bäumen belasse ichd en Besuchs weitgehend ungemäht bzw. setze dort gezielt (mehrjährige) Ablenkpflanzen wie Distel, Brennnessel, Sauerampfer. In den unweiten Heckenstreifen steht grundsätzlich auch Wildobst.
Permakultur braucht Zeit, auch bei Ablenkpflanzen
Erst ein voll etablierter Besuchs aus den gewünschten Wildpflanzen zeigt nachhaltig Wirkung. Das gilt für die Aussaat noch mehr als für das Umpflanzen. Wird der Wildstreifen erst nach der Obstpflanzung angelegt, verzögert sich die Wirkung um bis zu eine Saison, das muss beachtet werden. Ein halbes Jahr vor der Obstbaumpflanzung den Wildbewuchs anzulegen, wäre meine kürzeste zeitliche Empfehlung. Einfach den vorherigen Bewuchs nicht mit zu mähen ist meiner Erfahrung nach oft ungenügend, da zu viele der sehr durchsetzungsfähigen Gräser und zu wenige der als Ablenkung sinnvollen Stauden enthalten sind.
Nun, da die Wühlmaus wieder “normal” aktiv und die Blattläuse etwas im Zaum gehalten sind, kamen wir grundlegende Gedanken bem Beobachten. Einige unserer Obstbäume, darunter Aprikose und Holunder, zeigen kaum Probleme mit Blattläusen. All diese Bäume haben eines gemeinsam: Ausreichende Bestände Wildpflanzen in direkter Nachbarschaft. Vor allem Eselsdistel, Klaptschmohn und Brennnessel ziehen massenhaft Blattläuse an, ohne darunter so zu leiden wie unser Obst. Fehlen diese wilden Pflanzen, weichen die Ameisen offenbar auf andere mögliche Quellen aus, darunter eben Kulturpflanzen. Doch diese scheinen nicht ihre erste Wahl zu sein; Beobachtungen von zahlreichen Pflanzen in vielen Jahren sind sicher kein Zufall. Zu dumm war nur, dass ich Sommer 2019 diese einfache Wechselbeziehung außer Acht ließ und so n diesem Mai die Rechnung zahlte.
Unter’m Strich geht es für mich weiterhin um das Einbinden natürlicher Balance in den naturnahmen oder extensiven Anbau. Dafür muss ich tiefer verstehen lernen, wie die verschiedenen Lebewesen untereinander in beziehung stehen und nichts kann die vorbehaltlose Beobachtung vor Ort dafür ersetzen. Das ist immer dann für mich eine echte Herausforderung, wenn meine Lieblinge in Gefahr sind. Dann steht Angst dem vertrauen gegenüber und ich muss entscheiden, ob ich ins Stamm- bzw. Repto-Hirn gehen oder ins höher entwickelte Menschenhirn.Ersteres verspricht Konflikte ohne Ende und letzteres tiefere Einsichten und Impulse für perma-nente Lösungen. Ist das nicht bei allen Themen im Leben so?